Dass ich die Nacht durchgeschlafen hatte, lag nicht nur an dem guten Gefühl, mit welchem ich eingeschlafen war, sondern auch daran, dass Aiden wohl auch durchgeschlafen hatte. Wenn etwas gewesen wäre, wäre ich sicherlich aufgewacht. Als ich schließlich aufwachte, suchte mein Blick sofort Aiden, welcher sich wohl immer noch im Traumland aufhielt. Da ich ihn nicht wecken wollte, blieb ich einfach so liegen und ging meinen Gedanken nach. Bei den Erinnerungen an gestern Abend, konnte ich nicht anders, als glücklich vor mich hinzulächeln.

Es war erstaunlicherweise hell, als ich langsam die Augen öffnete. Nun, zumindest heller als ich es gewohnt war. Normalerweise wurde ich doch nachts wach...? So ganz konnte ich alles noch nicht einordnen, daher schloss ich noch einmal die Augen. Erstmal durchatmen.
Euan war da, ich konnte sein Herz ganz deutlich schlagen hören. Scheinbar hatte ich wirklich durchgeschlafen, was sehr selten war. Und das sogar vergleichsweise recht lange, zumindest kam es mir so vor. Irgendwie war das amüsant. Es war so ungewohnt, dass ich doch tatsächlich ziemlich verwirrt gewesen war.
Schmunzelnd rutschte ich herum, drehte mich halb, um blinzelnd nach oben sehen zu können. "Hey, du bis ja wach," stellte ich dabei fest. Das gestern Abend... Nun wo ich Euan ansah, kam die Erinnerung lebhaft wieder hoch. Irgendwie kam mir das immer noch wie eine große Sache vor. Was es wohl auch noch eine Weile bleiben würde, ehe ich mich halbwegs daran gewöhnt hatte.

Irgendwann rührte sich Aiden und bewegte sich etwas, bis er nach oben sah und sich unsere Blicke trafen. "Schon eine Weile", meinte ich auf seine Anmerkung hin, dass ich schon wach sein. Ich hatte währenddessen immer wieder vor meinem inneren Auge die Ereignisse des Vorabends wiederholt ablaufen lassen. Es war fast zu schön, um wahr zu sein, aber es war wahr. "Du hast ja ziemlich tief geschlafen", meinte ich dann und schmunzelte selbst nun etwas. Es war jedoch sehr selten, dass Aiden erstens durchschlief und zweitens dann auch noch so lange. Ich hatte es mir natürlich auch nicht nehmen können, ihn zu beobachten, während er noch geschlafen hatte. Selten hatte ich ihn so entspannt schlafen gesehen.

Und die ganze Zeit hatte er keine Anstalten gemacht, aufzustehen. Wirklich, Euan war schon so eine Nummer für sich. Langsam löste ich meine Hand aus seiner, nur um mich ganz auf den Bauch drehen zu können und hoch zu greifen. So konnte ich ein paar der grauen Strähnen aus seinem Gesicht streichen. "Sieht wohl so aus. Hat mich selbst ein wenig überrascht." Mit einem kleinen, amüsierten Lachen ließ ich die Hand zwar ein wenig sinken, berührte dafür aber weiterhin Euans Wange. Er war immer so warm... Das mochte ich tatsächlich an ihm. Aber obwohl ich selbst nun wach war, kam es mir nicht gerade in den Sinn, jetzt aufzustehen. Dafür war es ein viel zu angenehmer Morgen.

Nein, mir wäre es nicht im Traum eingwfallen aufzustehen. Warum sollte ich denn auch, wenn Aiden doch so schön auf mir lag und ich seine Nähe genießen konnte. Ich ließ es zu, dass er seine Finger aus meinen löste und mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Tja, nach dem Schlafen kam es schon vor, dass meine Haare etwas durcheinander waren. "Aber das scheint doch ein gutes Zeichen zu sein", meinte ich daraufhin und erwiderte sein Lachen. Es war jedoch ernst gemeint. Ich hatte in den letzten vier Jahren ausreichend miterlebt, wie sehr ihn die Ereignisse aus Alola verfolgten. Als er mich an der Wange berührte, breitete sich dort ein angenehmes Gefühl aus. Ich wusste es schon lange, aber seit gestern war dieses Gefühl noch viel stärker geworden: Ich wollte ihn so sehr bei mir haben und ihn berühren! "Wollen wir noch etwas liegen bleiben?" Ich wollte diese entspannte Atmosphäre wirklich noch nutzen und diese Zeit nur unter uns voll auskosten.

"Wahrscheinlich ist es das," schmunzelte ich ziemlich gut gelaunt. Dazu hatte ich aber auch allen Grund. Es stimmte schon, dass Schlaf den Gemütszustand beeinflusste. Es hatte einfach etwas für sich, zusammen aufzuwachen und so den Tag zu starten. Daher rutschte ich auch ein wenig höher, sodass ich auf Schulterhöhe bei Euan war. Einfach, um ihm ein wenig näher zu sein. "Das klingt nach einer guten Idee." Vor allem, weil es so durchaus gemütlich war. Es wäre eine Schande jetzt aufzustehen. Auch wenn alles noch neu und aufregend für uns beide war, so wie jetzt war es doch angenehm. Man brauchte sich keine großartigen Gedanken machen und konnte ganz entspannt bleiben.

Aiden nach dem Aufwachen so entspannt und gut gelaunt zu sehen, kam wirklich nicht oft vor. Doch wirkte sich seine Laune auch positiv auf mich aus, sodass ich einen ziemlich glücklichen Gesichtsausdruck hatte. Wobei ich den eigentlich schon seit dem Aufwachen hatte, wenn ich ehrlich sein sollte. "Die Idee kommt ja auch von mir", gab ich mit einem frechen Grinsen zurück, wobei es mich freute, dass Aiden wohl dabei ähnlich empfand wie ich. Ich griff anschließend nach seiner Hand, um ddiese wieder in meine zu nehmen.

Lachend sah ich zu unseren Händen. Dieses riesige Selbstbewusstsein würde sich wohl nicht so einfach legen. "Angeber," meinte ich dabei. Allerdings war es gut gemeint und in einigen Punkten stimmte das ja auch. Doch ich beruhigte mich recht schnell wieder, sodass ich meinem Partner wieder komplett meine Aufmerksamkeit schenken konnte. Gestern Abend... Das hatte etwas verändert. Mehr als mir klar war und diese Sache sickerte immer weiter in mein Bewusstsein. Und doch gab es Dinge, bei denen ich zögerte. Und genau aus diesem Grund nutzte ich die Chance, dass Euan Händchenhalten wollte, und führte unsere verschränkten Finger etwas höher. So konnte ich ihm einen Kuss auf den Handrücken geben. Das erschien mir als Anfang irgendwie besser. Und vielleicht verstand Euan das ja sogar als Aufforderung. Und wenn nicht, auch gut. Aber wenigstens konnten wir uns beide langsam an die Beziehung herantasten.

Mein Selbstbewusstsein würde definitiv nicht einfach verschwinden. Darauf konnte Aiden lange warten. "Aber mit Recht", entgegnete ich deswegen mit einem immer noch frechen Grinsen. Sowohl was meine Person als auch meine Fähigkeiten betraf, war ich sehr selbstbewusst. Ich hatte lediglich ein großes Manko... Nur wollte ich an das nun wirklich nicht meine Gedanken verschwenden, sondern konzentrierte mich lieber wieder auf Aiden. Ich war zwar selbstbewusst, aber Aiden war der einzige, der es schaffte, mich irgendwie in Verlegenheit zu bringen. Und das meist ohne große Anstrengung. Dazu reichte schon so eine kleine Geste, wie gerade der Kuss auf meinen Handrücken, aus. Den Blick wandte ich nicht ab und so konnte Aiden wohl mehr als nur deutlich den leicht verlegenen Ausdruck erkennen, der sich auf meine Gesichtszüge geschlichen hatte. "Du bist mir manchmal einer...", kommentierte ich dazu mit einem kleinen Lächeln, ehe ich meinen Kopf entsprechend anhob, sodass ich unsere Lippen zu einem Kuss verbinden konnte. Bisher war mir Aiden dabei immer zuvorgekommen, das konnte ich nicht so stehen lassen. Ich hatte Aiden gegenüber gestern Abend bereits einmal meine Bedenken geäußert, doch hatte ich mich schon immer mehr auf meine Instinkte und Gefühle verlassen. Und das tat ich auch weiterhin. Ich wollte zwar nichts überstürzen, aber mein Gefühl sagte mir, dass ich gerade das und vor allem Aiden an meiner Seite haben wollte. Wir beide würden schon noch herausfinden, was noch alles auf uns zukommen würde.

Diese Diskussion war so belanglos, dass ich sie trotzdem verlor. Wobei ich mir auch nicht gerade Mühe gab. Warum auch seinem Ego jetzt einen Dämpfer geben? Euan freute sich einfach genauso wie ich über einen schönen Morgen und die wunderbare Idee, einfach liegen zu bleiben und den Tag langsam zu starten. Das konnte man ihm wirklich nicht verdenken. Normalerweise war ich morgens kaum zu etwas gebrauchen, ehe ich nicht durch irgendetwas wacher geworden war. Natürlich wollte er die Situation ausnutzen.
"Wieso?" fragte ich mindestens genauso selbstbewusst, immerhin war es nur ein kleiner Handkuss gewesen. Nichts Besonderes. Trotzdem erreichte ich, was ich wollte, selbst wenn es nur ein kurzer, leichter Kuss war. Aber ich wollte, dass auch Euan die Möglichkeit hatte, sich auszuprobieren. Nicht, dass er da ständig auf mich warten würde. Das wäre irgendwie seltsam. Selbst wenn es auch für mich noch lange keine Gewohnheit war, so wollte ich doch genau das erreichen. Dass es normal für uns wurde. Auch wenn man ein Beziehung wohl nicht planen sollte. Nicht so, wie ich es in meinem Kopf tat. Tatsächlich hatte ich eine Art... Muster in meinem Kopf. Ziele, die ich mit meinem Partner erreichen wollte. Ganz langsam, einen Schritt nach dem anderen. Und Küsse waren nun mal eben das nächstliegende Ziel, denn alles davor gehörte für uns irgendwie schon länger zum Alltag. Nun ja, fast. "Nochmal," forderte ich daher leise, aber mit einem kleinen Lächeln. So konnte ich Euan zumindest zeigen, dass das für mich absolut in Ordnung war.

Und wie ich die Situation ausnutzen wollte. Wenn ich Aiden schon so nah bei mir hatte und dann auch noch in so einem wachen Zustand, wollte ich das definitiv ausnutzen. Jede Sekunde Zeit, die ich nur mit ihm hatte, wollte ich vollkommen auskosten. "Ach, nichts", war das, was ich auf seine Frage erwiderte. Ich war mir mehr als nur sicher, dass Aiden klar war, was er mit diesem einfachen Handkuss in mir ausgelöst hatte. Und darauf wollte ich keine ausführliche Antwort geben. Stattdessen hatte ich die Geste als Aufforderung gesehen und erneut spürte ich, wie toll das Gefühl war, Aiden küssen zu können. Eine Weile hielt ich die Berührung aufrecht, ehe ich diese wieder löste, aber nur um auf Aidens weitere Aufforderung mit einem Grinsen zu reagieren. Aber nur zu gerne kam ich dieser Bitte nach. Wenn es für ihn in Ordnung war, dann für mich erst recht. Ich richtete mich nun etwas auf, bevor ich mich zu Aiden hinüberlehnte, um meine Lippen erneut auf die seinen zu legen. Dabei drückte ich ihn mit sanfter Gewalt auf die Matratze, sodass ich mich über ihm befand. Den Kuss ließ ich dabei etwas intensiver werden. So wie ich Aiden kannte, würde er vermutlich auch eine Beziehung planen. Obwohl auch ich mir schon Gedanken gemacht hatte, wie es laufen könnte, verschwendete ich doch wenig Zeit damit, darüber nachzudenken, was in der Zukunft sein würde. Ich steckte meine Energie und Aufmerksamkeit lieber in den Moment und dies war gerade eben dieser Kuss, welcher wie auch gesten schon regelrecht ein Feuerwerk von Gefühlen in mir explodieren ließ.

Und schon befand ich mich wieder halb unter Euan. Vielleicht sollte ich mich einfach daran gewöhnen, denn so wie es schien, könnte es durchaus öfter dazu kommen. Um nicht ganz so untätig zu sein, schlang ich einfach meine Arme locker um seinen Nacken. Und ich konnte auch die Hand in seinen grauen Haaren vergraben, was gar nicht mal so schlecht war. So konnte ich den Kuss auch mehr als bereitwillig erwidern, was nun schon viel leichter war als noch vor einigen Minuten. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich einfach die Kontrolle abgeben konnte. Weniger Sorgen, kein Nachdenken... Das war eigentlich sogar recht erfrischen. Selbst wenn es nicht lange so bleiben würde, so konnte ich es im Moment einfach genießen. Und ich konnte Euan so sogar zeigen, wie sehr ich mich in seiner Gegenwart eigentlich entspannen konnte. Das wäre früher nicht so einfach gewesen.

Man merkte mir an, dass ich sichtlich genoss, während ich meine Lippen gegen die von Aiden bewegte. Gerade ließ ich einfach meine Gefühle und mein Verlangen sprechen, weshalb ich den Kuss auch nicht allzu schnell wieder abbrach. Schließlich legte Aiden seine Arme um meinen Nacken und seine eine Hand fand sich dann in meinen Haaren wieder. Ein wohliges Seufzen entfuhr mir in den Kuss hinein, während ich Aidens Hand leicht drückte, welche ich immer noch in meiner hielt. Nach einer Weile wurde dann jedoch die Luft etwas knapp, weshalb ich den Kuss auflöste, doch nur um ihn sofort wieder aufzunehmen. Zurückhaltung war noch nie meine Stärke gewesen und so jetzt auch nicht.

Es war ein langer Kuss und man konnte ihn nur als intensiv bezeichnen. Eine vollkommen neue Erfahrung für mich, wenn man mal bedachte, dass bisher keine frühere Beziehung auch nur ansatzweise so tiefgründig gewesen war wie diese.
Wahrscheinlich war der Erste noch recht ungeschickt, sehr wahrscheinlich sogar, aber den zweiten Kuss würde ich schon als besser bezeichnen. Obwohl ich kaum die Gelegenheit hatte, auch nur vernünftig Luft zu holen. Es war fast so, als würde mir Euan gar nicht die Gelegenheit geben wollen. Nicht, dass es mich groß störte.
Der Laut, welcher aus meiner Kehle kam, war kaum zu unterdrücken und wären meine Wangen nicht eh schon rot, wären sie es wohl spätestens jetzt. In der Hinsicht konnte ich wirklich nichts verbergen.
Ein wenig zog ich dann den grauen Haaren, nur um mir kleine Momente zu verschaffen um Luft zu holen.
"Hey," raunte ich, als ich kurz die Gelegenheit dazu hatte, ohne dass ich diesmal wusste, was ich sagen wollte. Aber ich ahnte, worauf das hier hinaus laufen konnte. Und ich wollte nicht, dass es einer von uns beiden bereuen würde, immerhin schien alles doch viel schneller zu gehen, als ich eben noch geahnt hatte. Wenn ich ehrlich war, hatte ich nicht einmal was dagegen, selbst wenn es mich überraschte. Es war eben Euan. Der, den ich kannte wie keinen anderen. Und der mich dazu bringen konnte, Dinge zu tun, die für mich früher völlig abwegig gewesen wären.

Auch für mich war es eine gänzlich neue Erfahrung. Eine, die ich zuvor noch nie gemacht hatte und auch lange Zeit dachte, dass es einmal so werden würde, wie es gerade war. Ich vermochte nicht zu sagen, ob das hier ungeschickt oder nicht, ich wusste nur, dass es sich jedes Mal richtig und mehr als nur gut anfühlte. Deswegen reizte ich das auch hier so sehr aus. Bei dem Laut, den Aiden dann von sich, war ich einen Moment lang etwas überrascht, doch brachte mich das auch zu einem kurzen Schmunzeln. Ich hatte meine Augen zwar geschlossen, doch war ich Aiden so nahe, dass ich das Glühen seiner Wangen förmlich spüren konnte.
"Was ist?", wollte ich wissen, als Aiden für einen Moment die Stimme erhoben hatte, was mich dann dazu veranlasst hatte, die Küsserei zu unterbrechen. Unsere Gesichter waren sich jedoch immer noch sehr nahe und ich hielt meinen Blick in seine Augen gerichtet. Ich hatte bisher tatsächlich noch nicht daran gedacht, wohin das hier hätte noch führen können, so hatte ich einfach den Moment genossen und mir erst danach überhaupt einmal Gedanken darüber gemacht. "Entschuldige", sagte ich aber dann, bevor er auf meine Frage antworten konnte und ich richtete mich etwas auf, indem ich meine bisher abwinkelten Arme wieder durchstreckte. Ich hatte eigentlich nichts überstürzen wollen und es zu schnell angehen, aber das wäre jetzt wohl fast passiert. "War wohl ein bisschen zu stürmisch, was?", fügte ich dann noch hinzu und zeigte ein etwas schiefes, leicht verlegenes Grinsen.